Bikepacking

Mit dem Fahrrad(anhänger) ans Schwarze Meer? Ein gescheiterter Versuch.

Sonja hatte die Idee den Jakobsweg “Camino Frances” von Saint-Jean-Pied-de-Port bis Santiago de
Compostela zu gehen. Knappe 800 Kilometer und zwar völlig alleine – so macht man das eben. Sie meint es völlig ernst. 

OK. Also habe ich überlegt was ich in dieser Zeit den Cooles anstellen könnte? Ich kam dabei auf die Idee mit dem Fahrrad von zu Hause aus bis ans Schwarze Meer zu fahren. Ca. 2200km. Ich wollte immer schon einmal eine längere Fahrradtour machen – das ist die Gelegenheit. Also habe ich mich ebenso auf dieses Abeneteuer vorbereitet und entschied mich für einen Fahrradanhänger. Der Kompromiss war, dass ich meinen Laptop mit dabei habe, um täglich 1-2-3 Stunden remote-Arbeit erledigen zu können.  

Mein selbst gesetztes Budget: 1000€ für die gesamte (noch nicht vorhandene) Ausrüstung.  

Online habe ich ein simples Hardtail MTB für 250€ im Abverkauf ergattert. Der Anhänger schlägt mit weiteren 200€ zu Buche. Das Solarpanel für 100€ speist meine bereits vorhandene Powerstation. Den Rest des Budgets fressen die restlichen noch nicht vorhandenen Ausrüstungsgegenstände. 

Möglicherweise wird mir diese Ausgangssituation aber zum Verhängnis?

Schon zuvor habe ich mein Fahrrad und meinen Anhänger für diese Tour vorbereitet und aufgebaut. Eine kleine Probetour mit 35km und nur dem halben Gewicht musste genügen. 

Nach der Segeltour durch das Ionische Meer war es dann soweit. Es geht los. Ich gebe mir nochmals zwei Tage Zeit, um diverse Dinge zu Hause zu erledigen, Vorbereitungen zu treffen und alles fertig zu packen. Erst bei der Abfahrt wird mir klar: Ich habe wirklich einiges mit. Zuviel? Schlussendlich bringt mein Gefährt 75 kg auf die Waage. Das ist wirklich schwer. Aber ein halbes Jahr zuvor habe ich mir einen Vortrag über Radreisende angesehen: Zu zweit mit den Fahrrädern vier Jahre lang bis und durch Asien, und schlussendlich wieder zurück. Rein zufälligerweise hatte einer der beiden genau den gleichen Fahrradanhänger wie ich. Sein Standardgewicht: 80 kg, in Spitzenzeiten bis zu 120 kg (bei längeren Reisen durch die Einöde – sprich: extra Wasser und Lebensmittel). 

Es muss also möglich sein! 

Die Challenge

Das ist die Challenge:

Ich habe 32 Tage Zeit bis ich die Anreise zum nächsten Abenteuer starten muss. Das würde bedeuten, ich soll im Durchschnitt ca. 70 km am Tag machen. Anfangs, ca. bis Budapest, soll es gute Radwege geben. Danach geht es oftmals mit normalen bzw. auch sehr schlechten Straßen weiter. Eine größere Hürde wird noch das eiserne Tor in Serbien – hier türmt sich neben der Donau ein gewaltiges Bergmassiv auf und ich muss den Berg überqueren (Die ersten Höhenmeter links im Diagramm sind umfahrbar). Also sollte ich anfangs noch versuchen mehr als 70 km pro Tag zu machen, um später genügend Reserven zu haben.  

Machbar?

Challenge Accepted!

Es geht los! Ich habe mich schon lange auf dieses Abenteuer gefreut und vorbereitet, aber ich muss zugeben auf einmal war ich leicht nervös? Warum? Hatte ich schon seit Beginn an leichte Zweifel diese Challenge zu schaffen?

Der erste Abschnitt führt entlang einer mir bekannten Strecke und der Tag verging wie im nu. Schon vor Mittag hatte ich meine ersten 50 km und ich hatte noch keine Beschwerden. Erst am Nachmittag wurde es etwas anstrengender, aber das ist ja völlig normal. Nach diesem Tag waren meine Zweifel plötzlich wieder verschwunden. Ich freue mich auf die nächsten Tage. Das wird einfach geil! Obwohl: ein kleiner Schritt außerhalb meiner Komfortzone war es zugegeben schon. Aber genau das macht ein Abenteuer eben aus!

 

 

Nach 79 Tageskilometern finde ich einen abgeschotteten Platz im Gebüsch und baue mein Zelt auf. Ein gemütlicher Nachmittag und Abend sind die Folge. 

Wer immer das macht was er schon kann, bleibt immer der der er schon ist.

Am zweiten Tag geht es gut weiter, meine Befürchtungen, dass der Hintern schmerzen wird, bestätigen sich nicht. Oder kaum. Körperlich ist es zwar anstrengend, aber noch lange kein KO Kriterium. Ich bin gut unterwegs, durch die Wachau in Richtung Tulln. Super schön und für Radfahrer gut ausgebaut. Am Ende des Tages finde ich nach weiteren 89 km einen Campingplatz, wo ich mein Zelt aufschlage. Nach getaner Arbeit fällt mir auf, dass in meinem Reifen keine Luft mehr ist. Ein Platter! Die Arbeit fängt doch gerade erst an. Naja, ein bisschen Action darf es ja gerne sein. 

Am nächsten Tag stehe ich extra wieder früh auf, ich will es weit schaffen. Aber schon nach 3 km wird mir die Luft aus den Reifen genommen. Der nächste Platte. Das muss echt nicht sein. Aber so ist es eben. 25 min später bin ich wieder unterwegs. An diesem Tag fahre ich durch Wien. Die Donauinsel hat besonders Spaß gemacht. Nach der Donauinsel fahre ich am rechten Donauufer ab, was sich später als kleiner strategischer Fehler herausstellt. Hier gibt es kaum noch Radwege. Ich sah erst später, dass die App das linke Donauufer vorgeschlagen hatte. Ich plage mich durch Wien und muss bei einer weiteren Trinkpause feststellen: ein weiterer Platten. NEEEEIN! Ich will nicht mehr und bin stinksauer, obwohl ich mich zuvor noch gefreut hatte, dass die Leute alle winken und mir Mut machen. Auffällig war ich ja. 

Die ersten Regenwolken kommen auf, jetzt muss ich schnell sein. Am Ende des Tages komme ich völlig erschöpft nach über zehn Stunden bei einem Tennisplatz an, hier kann man auch campen und es gibt Duschen. Am linken Donauufer gäbe es auch wieder mehr Möglichkeiten. Morgen wird besser geplant! 

Völlig durchnässt, es hatte noch zwei Stunden geregnet, stelle ich wieder mein Zelt auf und mache Feierabend. 

Tag 4: Ich nähere mich schnell der slowakischen Grenze. Land Nummer zwei, die Motivation steigt wieder und überschattet meine nun schmerzende Achillessehne. Durch Bratislava bin ich schneller als gedacht. Ich habe mir aber auch kaum Zeit genommen mir etwas anzusehen. Außer für die kleinen Zwischenstopps bei den Supermärkten fahre ich ganz bewusst nicht wahnsinnige Umwege zu irgendwelchen Attraktionen. Nach Bratislava geht es gefühlte Ewigkeiten schnurgerade aus weiter. Auch super asphaltiert. Schnell habe ich wieder meine knapp 90 km geschafft und schlage mein Zelt mitten im Nirgendwo auf, bevor es zu regnen beginnt. 

verdientes Abendessen

An diesen Morgen konnte ich mir noch nicht vorstellen, dass das der letzte Strampeltag sein wird. Selbst ein abgebrochener Ständer am Anhänger hielt den Gedanken weit von mir fern. 

Bis zum nächsten Zwischenfall kann man diesen Tag aber wieder als sehr gut einstufen. Top asphaltiert, jede Menge Rückenwind und schnell habe ich es bis zur ungarischen Grenze geschafft. Ich habe mich wieder riesig gefreut, dass ich schon so weit gekommen bin. Kurz zuvor hatte ich noch einen Holländer getroffen, ebenso angepackt wie ich, allerdings ohne Anhänger. Er erzählte mir unter anderem, dass ihm ein Marder in Ungarn den Mantel des Reifens zerfressen hatte und er einen neuen brauchte. Er hatte drei Tage lang das Fahrrad von Ort zu Ort geschoben, bis ihm jemand mit dem richtigen Material versorgen konnte und meinte noch so zu mir: “Wenn du etwas für dein Fahrrad benötigst, dann kaufe es noch hier in der Slowakei.”

Kurz nachdem ich in Ungarn eingereist bin hörte ich dann ein Klappern. Ich nahm das Vorderrad unter die Lupe, da ich das Geräusch “von vorne kommend” zuordnete. Ich konnte keinen Fehler entdecken, also fuhr ich weiter. Das Geräusch konnte ich nicht mehr wahrnehmen (höchstwahrscheinlich weil ich zu diesem Zeitpunkt gerade langsamer unterwegs war). Schon nach kurzer Zeit kam es wieder und wurde immer lauter und lauter (vermutlich weil ich bergab immer schneller wurde), bis ich beim Bremsen feststelle, dass der Hinterreifen ziemlich unwucht ist. Da die Erkenntnis! Das Problem kommt von hinten und schon sehe ich es: es sind mehrere Speichen gebrochen. Ich bin ziemlich perplex: Das habe ich nicht erwartet.  

Innerhalb kürzester Zeit mache ich einen Campingplatz (per Zufall) ausfindig und schiebe das Fahrrad demotiviert die nächsten 4 km vor mir dahin. Hier wollte ich mich mal sammeln und überlegen wie ich weitermache… 

Natürlich ist Samstagnachmittag und es gibt im ganzen Ort nur zwei Radshops, wobei mir die Rezeptionistin nur einen bestätigen kann. Öffnungszeiten: Montag – Freitag von 9:00 bis…  Shit! 

Ich verliere mindestens zwei Tage und an diesem Tag habe ich auch nur 60 km gemacht. Das ist nicht gut. 

Der Campingplatz war direkt neben einer Schwefel-Heiltherme und so verlagerte ich mein Strategiemeeting ins 36 Grad warme Wasser. 

Dabei kamen mir immer wieder die Gedanken hoch, dass ich permanent nur Probleme mit dem Hinterreifen habe. Ist das alles zu viel für mein “Highend”-Fahrrad? Hätte ich nicht so naiv sein sollen und in ein ordentliches Fahrrad investieren sollen? Den Anhänger weglassen sollen? Mehr Reservezeit einplanen sollen?

Ich hatte einfach kein gutes Gefühl mehr bei der Sache und musste/ konnte/ wollte mich geschlagen geben. 

Ich habe eine Entscheidung getroffen: Es ist zu Ende! 

Danke an Papa, dem so langweilig war, dass er mich von Ungarn abholte 🙂

Aufgehoben ist nicht aufgeschoben! Dieses Abenteuer wird in einer anderen Konstellation nachgeholt und abgeschlossen! Verlasst euch drauf 🙂 

Scheitern ist einfach nur eine Moeglichkeit, es nochmals zu versuchen. Dieses Mal intelligenter.

Als Ergänzung zu meiner Story gibt es im Anschluss noch eine Videodokumentation zu meinem Abenteuer. 

Zahlen:  +8 Tage // + 392 km Bikepacking // +1 Land: Slowakei //+ 1 Zwischenfall: Bikepacking Breakdown

 

 

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